
Wenn man an Vietnam denkt, kommen den meisten sofort Orte wie Ho-Chi-Minh-Stadt, Hội An oder die Halong-Bucht in den Sinn. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, in das beschauliche Tiên Thủy zu reisen – eine kleine Landgemeinde im Mekong-Delta, weit entfernt vom Trubel der bekannten Reiseziele. Und doch lohnt sich ein Blick dorthin, besonders wenn man Vietnam authentisch und fernab der Touristenströme erleben möchte.
Ich hatte das Glück, einige Wochen in Tiên Thủy zu verbringen – nicht als klassischer Tourist, sondern als Besucher bei Verwandten. Meine Oma lebt seit den 30er Jahren hier. Genau deshalb kann ich euch einige Eindrücke und Geheimtipps aus erster Hand mitgeben.
Wo liegt Tiên Thủy eigentlich?
Tiên Thủy liegt in der Provinz Vĩnh Long im südlichen Mekong-Delta und wurde erst im Juni 2025 durch die Zusammenlegung mehrerer Orte neu gebildet. Mit knapp 34 km² Fläche und rund 32.000 Einwohnern ist die Gemeinde recht großflächig, aber ländlich geprägt. Die Menschen leben hier vor allem vom Obstanbau, Reisanbau und kleineren Gewerben – Kokospalmen und Durian-Bäume säumen die Straßen, dazwischen kleine Garküchen und alte Tempel.
Die Region ist geprägt vom Hàm-Luong-Fluss, einem Seitenarm des Mekong, der die Landschaft fruchtbar macht und das Leben vieler Familien bestimmt. Es ist eine ruhige Welt – mit viel Natur, einfacheren Lebensverhältnissen, aber auch echtem Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft.
Und genau das macht vielleicht den Reiz eines Besuchs aus – wenn man mit dem Moped vorbeikommt, ein Stück ländliche Kultur aufsaugt und sich von Durians, Kokosnüssen, Jackfruits und mehr verwöhnen lässt.
Welche Dinge kann man in Tiên Thủy entdecken?
Das Dorf ist eher klein und gut überschaubar. Viele Menschen hier besitzen Häuser, Land und sogar eigene Obstplantagen – ganz so arm, wie man oft annimmt, sind sie also nicht. Im Laufe der Zeit spürt man, dass sich vieles weiterentwickelt. Wenn ihr einmal hier seid, habe ich ein paar Tipps für euren Aufenthalt zusammengestellt.
Früh aufstehen lohnt sich: Ein Besuch auf dem Markt von Tiên Thủy
In Tiên Thủy beginnt der Tag früh. Schon gegen 4 oder 5 Uhr stehen die ersten Verkäuferinnen auf, um ihre Stände vorzubereiten – mit frischem Fisch, knackigem Gemüse, aromatischen Gewürzen und hausgemachten Snacks. Der morgendliche Markt ist das Herz des Dorflebens, ein Ort voller Energie, Stimmen und Begegnungen. Wer das authentische Leben hier wirklich erleben möchte, sollte sich früh auf den Weg machen.
Zwischen den Marktständen herrscht geschäftiges Treiben – vor allem in den ersten Stunden des Tages. Touristen sieht man hier selten, dafür umso mehr Einheimische beim Einkaufen, Plaudern und Handeln. Wer offen ist, wird schnell ins Gespräch verwickelt – auch wenn man sich mit Gesten und einem Lächeln verständigen muss.
Inzwischen gibt es in der Nähe auch eine moderne Einkaufsmöglichkeit: einen Bach Hoa Xanh-Supermarkt mit klimatisierten Regalen. Doch der Markt hat seinen ganz eigenen Charme. Das Schlendern zwischen frischen Produkten, das Chaos, der Duft nach Kräutern und frisch gebratenem Frühstück – all das lässt sich nicht durch sterile Regale ersetzen.
Cao Đài-Tempel in Châu Minh – Farbenpracht, Mystik und friedliche Stille
Wer durch Tiên Thủy reist, sollte unbedingt einen Abstecher zum Cao Đài-Tempel Tòa Thánh Châu Minh einplanen – ein eindrucksvolles spirituelles Zentrum, das mit seiner farbenfrohen Architektur und tief verwurzelten Symbolik sofort ins Auge sticht.
Die Cao-Đài-Religion, 1926 in Südvietnam gegründet, ist einzigartig: Sie vereint Elemente aus dem Buddhismus, Konfuzianismus, Taoismus, Christentum und Islam – mit dem Ziel, eine universelle Lehre des Friedens und der Toleranz zu schaffen. Diese Vielschichtigkeit spiegelt sich auch im Tempel wider: kunstvoll bemalte Säulen mit Drachenmotiven, ein strahlend bunter Innenraum und das allsehende göttliche Auge – das Symbol der Cao-Đài-Glaubensrichtung – dominieren das Gebäude.
Der Tempel ist nicht nur ein religiöser Ort, sondern auch ein Ort der Begegnung. Gläubige kommen zum Beten, Pilger zum Meditieren, Besucher zum Staunen. Mehrmals täglich finden Gebetszeremonien statt, bei denen die Gläubigen in weißen Gewändern andächtig im Rhythmus von Gong und Gebetstrommeln sitzen – ein eindrucksvolles Erlebnis, selbst wenn man der Religion nicht angehört.
Selbst wer nur kurz in der Gegend ist, sollte diesen Ort nicht auslassen. Er zeigt, wie Spiritualität, Architektur und kulturelle Vielfalt in Vietnam auf ganz besondere Weise zusammenfinden – ruhig, respektvoll und voller Symbolkraft.
Mit dem Roller dem Hàm-Luong-Fluss entlang – Natur, Genuss und echtes Vietnam-Feeling
Eine der schönsten Möglichkeiten, das ländliche Vietnam wirklich zu erleben, ist eine Fahrt mit dem Roller entlang des Hàm-Luong-Flusses. Sobald man den Motor startet und die kleinen Straßen entlanggleitet, beginnt eine Reise voller Eindrücke – vorbei an sattgrünen Palmenhainen, kleinen Dörfern, lachenden Kindern am Straßenrand und weiten Obstplantagen, die sich bis zum Horizont erstrecken.
Die Route führt direkt am Flussufer entlang – teils auf asphaltierten Wegen, teils auf schmalen, kurvigen Straßen, die sich durch die Landschaft schlängeln. Immer wieder laden Straßenstände, Garküchen oder Cafés unter freiem Himmel zum Anhalten ein. Eine frische Kokosnuss trinken, gegrillte Bananen probieren oder einfach auf einer Holzbank sitzen und auf den Fluss schauen – genau diese Momente machen die Fahrt so besonders.
Der Hàm-Luong-Fluss selbst ist nicht nur landschaftlich reizvoll, sondern auch wirtschaftlich bedeutend für die Region. Als einer der Hauptarme des Mekong-Flusses durchquert er die Provinz Bến Tre und versorgt die Umgebung mit Wasser für Reisfelder, Obstplantagen und vor allem für den Kokosanbau. Nicht umsonst wird Bến Tre oft als das „Kokosnuss-Herz Vietnams“ bezeichnet.
Gastronomische Highlights
Fazit: Tiên Thủy ist kein Touristenmagnet – und genau das macht es besonders
Wenn du auf der Suche nach Instagram-Spots und Sightseeing-Marathon bist, ist Tiên Thủy wahrscheinlich nichts für dich. Aber wenn du Lust hast auf authentisches Leben, einfache Begegnungen und eine tiefere Verbindung zur vietnamesischen Kultur – dann kann ein Abstecher in diese Region eine ganz besondere Erfahrung sein.
Mein Tipp: Kombiniert Tiên Thủy mit anderen Orten im Mekong-Delta, z. B. Trà Vinh oder Bến Tre. So bekommt ihr ein rundes Bild vom Süden Vietnams – weit weg vom Massentourismus und ganz nah am echten Leben.
Weitere interessante Quellen: